Mit der Stadt Wolfsburg verbinden wohl die meisten die Volkswagen AG, den Abgasskandal und den verpaßten Halt eines ICE an deren Hauptbahnhof. Also wenig verwunderlich, das gerade dieser Bahnfauxpas in den letzten Wochen zum „Running Gag“ herzuhalten hatte, wann immer ich kund tat, mit dem Zug zum Spiel reisen zu wollen. „Na hoffentlich, na hoffentlich … hält der Zug.“ Ja. ja. Aber mindest eben so häufig wurde auch mit „.. bringt Punkte heim.“ kommentiert.
Punkte bringt der reisefreudige Unionanhang seit Saisonbeginn ja zur Genüge von fremden Rängen mit. Die Bekundungen der Gegenseite sind oft an Superlativen kaum zu überbieten. „… großartige Gäste, … freundliche Menschen, … Stimmungsmache ohne Gleichen, … nie gesehen, einzigartig.“ Aber nur mit Punkten in der B-Note gewinnst Du keinen Blumentopf, wie man so sagt. Da sollte schon mal ein dreifacher Lutz aufs Eis, da braucht es eben einen dieser Initialmomente, in dem sich die innerliche Hoffnung auf einen großen Coup im Torpogo entladen kann.
Aber wir sind ja nur gekommen um zu feiern beschwichtigt man. Die Gründe zum feiern liefert die Halbzeitstatistik. 68% Zweikämpfe pro Rot-Weiss sprechen die Sprache des Malocherfussballs. Union wendet viel auf und hält dagegen, wie man es von einer spielerisch unterlegenen Mannschaft erwartet. Weghorst, seit Wochen in bestechender Form (Achtung Phrase!) und durch die latente Nichtachtung von Bondscoach Ronald Koeman für die niederländische Nationalmannschaft sicher zusätzlich motiviert (Achtung, die nächste Phrase!), noch an der kurzen Leine – die Null steht. Leider vorne wie hinten.
Unklares Handgemenge in Minute 53. in der Unioner Box (Strafraum ist so Neunziger.) zwischen Friedrich und eben diesem Wout Weghorst. Der Pfiff des Unparteiischen Bastian Tankwart (oder so ähnlich) ist im stimmungsgeladenen Gästeblock zwar nicht zu hören, aber die Geste um so eindeutiger. Strafstoß soll es geben. Das sich der gefaulte den Ball nicht selbst zur Ausführung auf den Punkt legen soll, ist ja eine landläufig bekannte Warnung mit Blick auf einen Torerfolg, kann aber in diesem Fall auch auf die Ausführung generell ausgeweitete werden. Noch während Weghorst von einer Ecke in die andere überlegt kommt aus dem Videokeller ein Signal der Überprüfung. Der bereits heiss diskutierte und mit „Scheiß DFB“ (aus beiden Fanlagern) quittierte Elfer wird abgeblasen. Dem Foulspiel zum Scheißspiel ging ein Handspiel Weghorsts vorraus. Nun denn.
Das der Stadionsprecher dann dem 1:0 von, ja klar, Weghorst in der 69. Minute ein „Endlich das …“. voranstellt, lässt etwas tiefer blicken. Hatte sich der Gastgeber diese Partie über die Ziellinie zu bringen womöglich einfacher vorgestellt? Egal, man war ja ungeschlagen in das Kräftemessen gegangen und hatte im Vorlauf niemandem im Stadion im Unklaren lassen wollen, das dieser Status gehalten bleiben möchte.
Nach Rückstand warf unser Trainer nun mit Ingvartsen, Ujah und Mees frisches Offensivpersonal ins Wolfsgehege. Aber, könnte, wollte, hätte hätte Fahrradkette, allem zum Trotz, steht auf wenn Ihr Unionen seid … dann fliegt doch noch allen rundumstehenden ein flüchtiges „TORR“ über die Lippen, aber Andrichs Wumme streicht knapp am Pfosten vorbei in die Bedeutungslosigkeit. 90. + 5 und aus.
Urs Fischer hält zum Fazit befragt fest: „… dass heute am Ende nicht mehr rauskommt, ist enttäuschend.“ Ob man nun von Chancen, Halbchancen, oder einfach von verpaßten Möglichkeiten schreibt, bleibt rhetorische Spitzfindigkeit.
So ziehen wir weiter durch die Nation, verzücken in den Metropolen, Tempeln, Kathedralen und Arenen Fußballdeutschlands mit Sangeskunst und erwartungsfreien Anheizchoreos – froh dabei zu sein.
Da fällt mir ein geflügeltes Wort aus meinem familiären Umfeld ein, wenn es um sportliches Kräftemessen ging: „Gewonnen haben wir nicht, aber am Start waren wir die Lustigsten.“
Es war ein gutes Spiel der Unseren. Der Ball bleibt rund und die Saison hat noch 27. Spieltage. … und so richtig beginnt die Saison nach dem Bayernspiel schnappte ich im Rückreisezug auf.
Ich bin gespannt.