Ich wollte damals immer mal meinen zweitliebsten Verein in einem Pflichtspiel sehen. Da ich nicht nach Westberlin konnte, versuchte ich mit mehr als 100 Unionern eine Eintrittskarte in Prag zu bekommen. Dort spielten im Viertelfinal Rückspiel des Europapokals Dukla Prag gegen Hertha. Eine Woche vor dem Spiel erhielt ich von einem Herthafreund die Zusage, dass ich mir meine reservierte Karte in Prag in einer Bank zum Kurs von 5 zu 1 umtauschen konnte. (Ich glaube, die Karte kostete 15 DM.) Es war eine ziemlich gewagte Aktion, da ich nichts in den Händen hatte. Aber ich wollte es trotzdem riskieren. Meine Frau strickte mir noch schnell einen Blau-Weisen Schal.
Zum Glück arbeitete ich zu der Zeit gerade in Berlin, und wohnte im Prenzlauer Berg zur Untermiete. Nachdem ich am Dienstag schon 12 Stunden gearbeitet hatte, wollte ich noch ein wenig vorschlafen. Aber an Schlaf war nicht zu denken, dafür war ich viel zu aufgeregt. Am Mittwoch um 00.14 Uhr setzte sich unser Zug nach Prag in Bewegung. An Schlaf war wieder nicht zu denken, denn dafür war es durch die Hertha und Union-Fans zu laut. Der Kauf meiner Karte klappte zum Glück. Ich kam mir in Prag wie ein Westberliner vor, denn einige Prager bettelten mich um Westgeld an. Wahrscheinlich lag es an meinem Levisanzug mit den euch schon bekannten Aufnähern und dem gestrickten Herthaschal neben meinem Unionschal.
So vertrieben wir uns den Tag in Prag mit dem Verköstigen des schmackhaften Bieres. Am späten Nachmittag ging das Spiel los. In Berlin trennten sich beide Mannschaften 1:1. Zu unserer Freude siegte Hertha mit 2 zu 1 (Damit war Hertha im Halbfinale, wo das Aus durch die Auswärtstorklausel gegen Roter Stern Belgrad kam.) Ich wollte natürlich unbedingt noch Autogramme von der Mannschaft. Alle sagten, das da kein Rankommen wäre – aber ich schaffte es. Mein Kumpel staunte nur, als ich im Hertha-Bus war und mit einigen meiner damaligen Idole sprach. Als ich dann auch noch im Bus bis zum Hotel mitfahren konnte, war ich an dem Abend wohl der stolzeste Fan.
Am Bahnhof traf ich dann meinen Kumpel wieder. Leider fiel unser Zug aus. Wir mußten mit dem nächsten Zug fahren. Kurz vor Mitternacht setzte sich der überfüllte Zug in Bewegung. Unsere reservierten Sitzplatzkarten für den ausgefallenen Zug hatten keine Gültigkeit. Wir drängelten und machten uns in einem Abteil Platz, wo irgendwelche Zigeuner Federvieh in Käfige bei sich hatten. An Schlaf war wieder nicht zu denken. Gegen 8.00 Uhr kamen wir in Berlin an. Wir verabschiedeten uns von den Hertha Fans in dem wir alle zusammen auf dem Bahnhof das Herthalied und ein dreifaches Eisern Union brüllten (So gut es vor Heiserkeit noch ging). Die Trapo staunte, aber schritt nicht ein.
Um 9.00 Uhr war ich dann mit 3 Stunden Verspätung kaputt aber glücklich auf der Arbeit. In der Mittagspause hatte ich viel zu erzählen. Die Zeit musste ich dann irgendwann nacharbeiten. Es war unheimlich aufregend und anstrengend, aber natürlich auch toll. An dem Abend hatte ich keine Lust zu meiner Wohnung zu fahren, sondern schlief bei meiner damaligen Freundin und jetzigen Frau, die gegenüber meiner damaligen Baustelle wohnte, nach 62h ohne richtigen Schlaf schon um 18.30 Uhr ein.