Es war kurz nach Acht am Samstagabend. Der Sonderzug bahnte sich seinen Weg durch die niedersächsische Provinz, als das Partyvolk seine imaginären Geigen auspackte, an den Hals hielt und zu fiedeln begann. DJ „Wumme“ legte gerade den Hit „Am Fenster“ von „City“ auf. Spätestens jetzt, hatte sich bei den über Hundert tanzfreudigen Unionern in den zwei „Partywaggons“ der Frust in Lust verwandelt. Keiner der Anwesenden verschwendete auch nur einen Gedanken an das schwache Fussballspiel vom Nachmittag.
Samstagfrüh startete der „VIRUS“-Sonderzug von Lichtenberg mit dem Ziel „Köln-Deutz“. Siebenhundert Unionsupporter, müde aber gutgelaunt und erwartungsfroh, bestiegen das nostalgisch anmutende Beförderungsmittel. Ich glaube der Zug war noch aus ganz alten Beständen der Deutschen Reichsbahn, was aber nicht heißen soll, daß er in einem schlechten Zustand war. Über sieben Stunden hatten wir nun Zeit uns tanzend, singend und Bier trinkend auf das Spiel in der Domstadt vorzubereiten. Auf der Rückfahrt, sollte uns die Mannschaft begleiten und ich malte mir schon aus, von welchem Spieler ich wohl Fotos machen könne und mit wem ich ein Interview für diesen Artikel führen werde. Pustekuchen – aber dazu später mehr.
Der Gockel zeigte dem Kölner Publikum seine stolz geschwellte Brust vom Zaun des „Rhein-Energie“-Stadions, da machten im Gästeblock zwei Gerüchte die Runde. 1. Vorm Spiel gab es Ausschreitungen Berliner „Hooligans“ – 2. Die Mannschaft wird die Rückreise nicht mit dem Sonderzug antreten. Beide Gerüchte sollten sich später als wahr herausstellen.
In den letzten Wochen sind wir von unserer Mannschaft teilweise mit tollen Spielen verwöhnt worden. Um so rätselhafter ist es, warum die Leistungen nach dem Derby so schwach geworden sind. Gestern brachte der 1.Fc Union kein Bein vor das andere und war beim keinesfalls bäumeausreißenden 1.Fc Köln chancenlos. Die Erklärung, daß der Kapitän nicht mit an Bord war, ist mir zu einfach. Da gibt es Spieler, die sonst nur die zweite Geige spielen und darüber jammern. Gestern war die Chance, es dem Trainer zu beweisen. Genutzt hat sie keiner. Selbst der Schönredner fand gestern wenig Argumente, selbiges zu tun.
Das Spiel wurde 0:2 vor 42.000 Zuschauern verloren und damit auch die letzten Aufstiegsträume begraben. Nicht nur die Mannschaft hatte einen ihrer schwächsten Auftritte in dieser Saison, auch der dreitausend Mann starke Gästanhang blieb weit hinter den eigenen Erwartungen zurück. Jeder der dabei war wird zugeben müssen, daß es ohne Ultras schwierig ist, das Potenzial zu bündeln und zu koordenieren. Die „Hooligans“ vom vorhin erwähnten Gerücht waren unsere Ultras und wurden während des gesamten Spiels im beamtendeutsch ausgedrückt: „festgesetzt“.
Auch das Gerücht, die Mannschaft würde nun doch nicht den Zug nach Berlin besteigen, bewahrheitete sich. Angeblich war die Angst vor der gerade grassierenden Grippewelle der Grund. Na wollen es wir es mal glauben. Ohne Team, aber mit viel Bierdurst, ging es dann wieder in die Hauptstadt.
Merke – auch nach einem fast vierundzwanzigstündigen Partymarathon, einem schlechten Spiel und einer Ehrenrunde mit der Berliner S-Bahn (wir sind leider kurz vor Erkner eingeschlafen), kann man viel Spaß haben. Wie sagt der Micha („der Falsche“) so treffend: „… bis auf Fussball, war alles geil“.
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